
Biomechanik Lilie
Als Freund netter Sprüche kann ich eines sicher sagen. Mit nem Otter gehts viel flotter. Der war flach? Ja, auf jeden Fall nicht so hoch wie der Grand Teton Nationalpark in Wyomig. Was hat der hiermit zu tun? Wir werden sehen. Der ein oder andere Tattoo- und Naturbegeisterte hat es schon gesehen. Ein tätowiertes Tier, und in diesem ist eine Silhouette von Bergen und Bäumen zu sehen. In der Regel sind diese dann vom Stil graphisch, eher in die Richtung Lineart zusammen mit Dotwork. Was ist aber, wenn einige der einzubringenden Elemente Tiere sind? Und diese Tiere einfach mal echt viele sind. Fuchs, Bison, Bär. Und nicht zu vergessen der Otter. Oder besser zwei Otter?
Klar, zwei ist besser als einer. Vor allem wenn es um Otter Love geht. Denn die sind eher gesellige Tierchen. Putzig auf dem Rücken im Wasser liegend kann man die auf Bildern bewundern. Oder einfach nur so durch das Wasser pflügend. Un d Wasser soll definitiv mit hineinfließen in das Tattoo. Weich. Im Gegensatz zu dem Grand Teton. Denn das war ein Urlaubsziel, das wohl sehr beeindruckend war. Und das soll mit verewigt werden in dem Tattoo namens Otter Love. Gegensätzlich zu den vorher erwähnten Line und Dotwork Arbeiten soll es jedoch nicht lediglich aus harten Linien bestehen. Sondern es soll eben die verschiedenen Elemente miteinander vereinen.
Wie oben schon gefragt, was ist, wenn als Vorgabe nicht nur ein Tier eingebracht worden ist? Und dabei zum Ausdruck gebracht wird, dass sie ja eigentlich alle mit im Ringelreihen dabei sein sollen? Dann muss man puzzlen. Und genau das war es, was ich gemacht habe. Puzzle gespielt. Ich erspare die verschiedenen Schritte, die in der Entwicklung damit einhergingen. Es waren einige. Schließlich muss man beim Puzzle die verschiedenen Elemente zusammenfügen. Und jeder, der schon mal ein Puzzle gelegt hat weiß, dass das nicht so ganz so schnell vonstatten geht. Allerletzten Endes haben wir es dann aber so umgesetzt, dass alles dabei ist. Wenn man genauer schaut, dann sieht man im Wasser als Well einen Büffelkopf. Darüber hinaus einen Bären mit offenem Maul, über ihm ein Lachs. Und ein Fuchs. Habe ich etwas vergessen? So wie die Silhouette des Grand Teton, mitsamt Bäumen in den Ottern?
So, Minjung, watt soll es denn diesmal sein? Ein Tattoo? Ein Tattoo mit Knochenstrukturen? Vielleicht etwas, das ich schon mal gemacht habe? Hm, gibt es da vielleicht die Möglichkeit, das Ganze noch ein wenig um was Neues zu erweitern? Etwas, das ich nicht gemacht habe? Vielleicht etwas, das ich sogar gar nicht kann? (FUNFACT: Sachen, die man nicht zeigt kann man nicht, Ironie aus). Schaut so aus. Hab ich schon mal gesagt, dass Biomechanik ein äußerst schön wandelbares Feld ist? Damit kann man sehr viel schönes machen. Und vor allem ist dieser Stil trotz allem immer wieder mit Neuerungen gesegnet. Da will ich mal nicht so sein, und ein wenig mitmischen. Mit was Neuem… . Einem Knochenstrukturen Tattoo.
Wie so oft, sag ich „Bitte, Bitte, lass mir mal was rüberwachsen“. Damit ich die Angelegenheit ein wenig eingrenzen kann. Will heißen Sachen, die gefallen. Sowie Sachen, die genau eben nicht gefallen. Sonst weiß ich ja gar nicht, was ich vorschlage kann. Und eine gewisse Orientierung wäre schon mal nicht ganz verkehrt. Daraufhin bekomme ich auch schon geliefert. Darüber hinaus ist die weitere Prämisse auch sehr klar. Klar soll es sein. Strukturiert soll es sein. Schließlich und letztendlich gerade soll es sein. Soweit das eben am Unterarm geht. Denn der ist ja auch nicht so ganz gerade. Die Schwierigkeit liegt dabei, die einzelnen Muskelbäuche und Sehnen und Zeuch halt dann eben so einzubasteln, dass man sie eben nicht sieht und wahrnimmt. Obwohl sie ja erst die Grundlage für die Zeichnung sind. Weil ohne geht es dann halt doch nicht.
Dementsprechend muss ich tatsächlich mal etwas Neues wagen. Der Aufbau soll entlang der Achse des Unterames verlaufen. Er soll gerade sein. Ein wenig Fluchtdiagonale zum Handgelenk, das ist allerdings schon noch im Rahmen. Also werden einfach der Längsachse entlang optimierte Orientierungslinien gezogen. Und auf diesen Linien baue ich wellenförmig die Knochenstrukturen auf. Mal mehr wie eine Wirbelsäule. Dann wieder wie Schindeln, die sich überlagern. Also auch in dem Sinne Elemente, wie man sie in Wirbelkörpern finden kann. Damit verbunden mechanische Teile. Das interessante ist, dass es sich anbietet, die Schattierungen so zu setzen, dass man aus zwei Richtungen unterschiedliche Formen wahrnehmen kann. Dementsprechend ist ein Rüstungsmäßiges, sich ineinander morphendes Knochenstruktur Tattoo dabei entstanden. Am Unterarm statisch. Trotzdem durch die Wellenform und den Einsatz der Schattierungen dynamisch. Und dann, ein paar Tage später, heißt es „machen wir doch den Oberarm“. Aber das kommt, wie gesagt, noch später.
Verbrennungsnarben haben oft schwerwiegende Verletzungen der Haut durch Verbrühung oder Feuer als Grund. Je nach Schwere der Verbrennung können dabei hypertrophe Narben entstehen. Mitunter auch Narbenkeloid. Das sind verhärtete, wulstige, erhöhte Hautteile. In diesem Fall waren die Narben aufgrund einer Verbrühung als Kind teilweise richtiggehend verhornt. Gelbes Narbengewebe, teilweise von hornartiger Konsistenz. Dazu spannten sie am Handgelenk stark. Somit wurde das Tattoo zum kosmetischen Faktor. Ein Cover Up besonderer Art. In der Regel wird ein Cover Up Tattoo gewählt um Probleme zu überdecken. In der Regel sind das alte Tattoos. Allerdings handelte es sich hier um Probleme, die für Willi nicht nur optisch problematisch waren. Ich habe leider keine Fotos von den alten Narben. Aber man kann das noch zum Handgelenk hin sehen, wie schwer die Verbrennung war. Besonders das Video zeigt sie gut zum Ende. So schwer, dass das Narbengewebe die Bewegung eingeschränkt hat. Und entsprechend heftig ausgesehen hat. Und darüber sollte Biomechanik. Als Überdeckung!
Jetzt muss man sagen, dass Narbengewebe nicht ganz ohne ist. Man kann drüber tätowieren. Die Narbe kann auch tatsächlich durch die Tätowierung flacher werden. In der Medizin wird dafür gerne Medical Needling eingesetzt. Hierbei wird die Haut mit einer Nadelrolle mit 3 mm hohen Stacheln erneut verletzt. Beim Tätowieren geht das nicht ganz so tief. Allerdings kann man beim Tätowieren die Haut mal so richtig ficken. Schließlich arbeitet man mit einer Maschine, die durchschnittlich 100 bis 120 Stiche in der Sekunde setzt. Problematisch ist das unter anderem deswegen, weil Narben in der Regel dünner und straffer sind als normale Haut. Dadurch kann die Haut leichter reißen. Und weil die normale Haut und die Narbe unterschiedlich anschwellen ist es mit einer gewissen Mühe verbunden, gerade Segmente herzustellen. Also muss man für ein Cover-up Tattoo tricksen. Schließlich handelt es sich in dem Sinne nicht nur um ein Cover-up Tattoo sondern grenzt fast schon an eine dermatologische Operation.
Am inneren Unterarm war das Gewebe in einer Längsrichtung verwachsen. Die Haut hatte durch die harten Narben schon Ähnlichkeit mit exo-Sehnen. Die Richtung habe ich aufgenommen und in die Fasern des Tattoos eingebaut. Überall, wo keine Narbe war habe ich mit größeren Strukturen gearbeitet, um einen Ausgleich zu den feineren Elementen zu schaffen. Dafür wurden an Wirbelkörper orientierte Elemente verwendet. Zusätzlich wurde der Effekt einer durchscheinenden unteren Ebene hervorgerufen, um von dem Narbengewebe abzulenken.
Ob man es glaubt oder nicht. Durch ein Tattoo kann die Narbe in der Regel weicher werden. Und kann auch regelmäßig abflachen. Das scheint durch die Wirkungsweise von Tattoos erklärbar zu sein. Die Farbe wird von Makrophagen „gefressen“. Dieselben Makrophagen tun sich möglicherweise auch an dem alten Narbengewebe gütlich. Vorausgesetzt, man zerstört die Haut nicht. Denn dann kann es neue Narben geben. Und die wiederum ziehen Farbe sogar noch raus.
Ein Wirbel Tattoo fasziniert durch die gleichmäßige Verknüpfung funktioneller Einheiten. Denn nichts anderes ist die Wirbelsäule auch. Eine Verknüpfung funktioneller Einheiten. Somit ist die Wirbelsäule im wahrsten Sinne des Wortes das Rückgrat unserer körperlichen Biomechanik. Biomechanik, das ist mal wieder das Stichwort. Im Fall von Wirbeln gibt es kaum etwas Schöneres als deren Funktionalität. Die Dreidimensionalität der Quer- und Längsfortsätze kennt Keinesgleichen. So auch im Fall von diesem Wirbel Tattoo. Das Tattoo an der Wade ist Stück für Stück entstanden. Sozusagen ein Element nach dem anderen. Das ist auch Biomechanik. Allerdings in dem Sinne die Biomechanik als Tattoo Stil. Sie setzt sich aus einzelnen funktionellen Einheiten zusammen und verknüpft sie miteinander.
Verknüpfungen einzelner Tattoos sind nicht immer leicht. Wesentlich für jedes Tattoo ist die in ihm enthaltenen Aussage. Schließlich hat ein Tattoo seinen ihm eigenen Inhalt. Deshalb ist es auch wichtig, Inhalte nicht durch Überlagerung von anderen Inhalten ihrer Aussage zu berauben. Beispielsweise war als Anfangstattoo der linke Teil neben dem Schienbein. Danach kam der rechte Teil ( das Ritzel Tattoo). Und dann kam der Punkt in der Biomechanik, der den Wirbel machte. Der, den ich am meisten fürchte. Nun, das hört sich hoffentlich angemessen dramatisch an. Denn letztendlich geht es darum, noch freien Platz so einzusetzen, dass er sowohl eigenständig ist, als sich auch einfügt. Und was kann man denn da hin tätowieren? So ne Wirbelsäule wäre echt cool, meint der zukünftige Träger.
Und dann darf ich mich hinsetzen und muss mir was einfallen lassen. Funktionelle Einheiten im Rahmen von Biomechanik basieren gerne auf Wiederholung. So eine Wirbelsäule ist da keine Ausnahme. Nachdem es sich bei dem freien Platz um einen schmalen, länglichen Streifen entlang des Schienbeines handelt wurde das Teil nach unten verjüngend in die Aufrisse auf der linken Seite eingearbeitet. Weiterhin wurde es der Form auf der rechten Seite angepasst. Die Wirbel zeichnen einerseits die Rundung der Wadenform nach als auch die Linie des Schienbeins. Somit sind die einzelnen Elemente sowohl eigenständig als auch zusammenwirkend.
Begeisterte gibt es allenthalben. Tattoo- Begeisterte, Motorrad-Begeisterte, Geschwindigkeits-Begeisterte… . Wenn eine Person diese 3 Begeisterungen teilt, dann ist es ziemlich wahrscheinlich, dass er sich mal bei dem Rennen auf der Isle of Man eingefunden hat. An diesem Ort wird eines der abgefahrensten Straßen-Rennen abgehalten. Keine Absperrungen und keine Sicherheiten. Darüber hinaus Fahrer, die mit einem Höllentempo in die Kurven gehen. Kurven, die voller Zuschauer sind. Für den der es mag, das Höchste.
Und dementsprechend kann man die Die-Hard-Fans ganz gut von anderen unterscheiden. Sie tragen in der Regel gerne auch das Wappen der Isle of Man tätowiert. Oder besser gesagt, das abgewandelte Wappen, das die Motorrad-Fahrer zu ihrer Fahne gemacht haben. Eine Triskele, die ein wenig an das Wappen Siziliens erinnert, bloß dass in der Mitte kein Gorgonen-Haupt innerhalb der 3 Beine ist, sondern diese 3 Beine mit Schutzkleidung. R. kam mit diesem Wappen an. Nun hatte er schon ein paar Sachen von mir. Ich stehe dann immer da und denke mir…“nu, war willer denn jez damit bei mir“ ? Dementsprechend kam ich nicht umhin, ihm ein paar Vorschläge zu unterbreiten. Nämlich das Ritzel mitsamt Triskele und einer Kette perspektivisch zu drehen. Damit Bewegung entsteht braucht man aber noch etwas anderes. Stimmt, eine Straße, auf der man fahren kann.
Die Straße, auf der das Ritzel dahinrollt wurde von mir mit einer in gegensätzlicher Richtung drehenden mehrarmigen Spirale gebaut. Wenn man sich die Zeit nehmen kann, um das Tattoo zu begutachten, dann wird man sehen können, wie sich die Drehung im Gehirn einschraubt.
Die Farben sind, wie üblich Eigen-Mischungen, eine Jede Farbstruktur in sich abgestimmt und aufeinander aufgebaut.